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Überführungstörn: Flensburg nach Breege (Rügen)

Mit der "Seeteufel" unterwegs

Die Vorgeschichte zu diesem Törn begann Mitte Oktober mit einem Telefonanruf bei mir. Der Geschäftsführer einer Charter-Firma von Rügen rief an und fragte mich, ob ich nicht Interesse an einer Bootsüberführung von Flensburg nach Breege auf Rügen hätte. Klar hatte ich Interesse. Also hieß es als erstes die Verfügbarkeit der Crew abzuklären, eine Grobplanung zu erstellen und dann ein Feedback zu liefern.

Einige Telefonate und Terminkalenderstudien später konnte ich zurückrufen und mitteilen: „Yes, we can!“ Ganz im Sinne von Obama. Allerdings war der einzige Termin, an dem alle Crewmitglieder konnten, ein sehr kurzes Zeitfenster und auch noch spät im Jahr: Das Wochenende mitten im November und dann auch nur Samstag bis einschließlich Montag.

Bei dem Boot handelte es sich um eine Bavaria 31 Cruiser – zu viert also schön kuschelig.

Mit Näherkommen des Törnwochenendes wurde die Planung immer gefestigter. Die Logistikplanung besagte am Freitagabend aufzubrechen und unseren Wagen in Hamburg gegen einen Mietwagen zu tauschen um mit diesem bis Flensburg zu fahren. Alles wurde bis ins kleinste Detail geplant – sogar das Vorhandensein einer 24-Stunden-Tankstelle in der Nähe der Autovermietung in Flensburg.

Spannender gestaltete sich aber die Törnplanung. Diese sagte: Wir brechen in Flensburg auf und fahren die nächste Nacht durch, um Sonntag in Klintholm anzukommen. Dort sollte dann ein Hafenstopp eingelegt werden und der letzte Abschnitt von Klintholm nach Breege führen.

Da der November ja für das Beginnen der Herbststürme berühmt ist, beäugten wir auch die Wetterentwicklung mit großer Spannung. Der Wetterbericht am Aufbruch-Freitag sagte:

„Westliche Ostsee: Südwestlicher Wind 6 bis 7, später etwas abnehmend, zeitweise diesig, See 1,5 bis 2,5 Meter.“ Laut DWD müsste man aber auch mit Böen um Windstärke 9 rechnen. Damit war schon mal klar: Wir würden uns nicht über zu wenig Wind beklagen können. Und wir würden wohl nass werden – weniger von Oben, als von Vorne.

Unsere Verabredung sagte, dass wir abends aufbrechen würden, sobald Felix*) aus der Firma raus ist. Das würde voraussichtlich so gegen 20:00 sein. Also nutzte ich die Gelegenheit mich vorher noch einmal 1 ½ Stunden aufs Ohr zu hauen – inzwischen weiß ich, dass das sicherlich kein Fehler war!

Wir hatten das Glück ein bisschen früher los zu kommen und saßen dann schon um 19:30 im Auto, in Richtung Reeperbahn in Hamburg. Dort kamen wir dann gegen Mitternacht an, holten unseren reservierten Mietwagen. Unser Auto ließen wir dort stehen. Für das nächste Mal wissen wir auch, dass wir keinen „kleinen Kombi“ mehr mieten werden: 4 Leute plus Lebensmittel und Segel-Gepäck in einem Ford Fokus Kombi, das war sehr eng.

Ab ging es nach Flensburg und zum Steg. Während ich den Mietwagen wegbrachte und mit einem Taxi zurück zum Hafen kam, verstaute der Rest der Crew das Gepäck an Bord.

Der erste kurze Bootscheck stimmte uns nicht wirklich glücklich: Die Batterien waren fast leer, der Wassertank stand auf 25% und auch der Sprittank war nicht voll. Das fing ja gut an! Also legten wir erst einmal einen Landanschluss um Strom zu bunkern – leider ohne Erfolg. Wie wir später erfuhren hatte der Hafenmeister in Flensburg schon vor Wochen den Strom abgeschaltet. Gleiches galt auch für das Thema Frischwasser.

Nach kurzer Beratschlagung beschlossen wir, uns doch noch 3 Stunden zum Schlafen hin zu legen um dann im Hellen auszulaufen. Gesagt getan…

  • Sonnenschuss
  • Spinnaker-Segeln

Der Wind war wie angekündigt schön frisch. Trotzdem fuhren wir erst einmal unter Motor los, um die doch sehr schwachen Batterien zu laden. Und wir waren nicht das einzige Boot auf der Flensburger Förde. Ein paar Yachten der Marineschule Mürwik waren auch draußen und genossen den starken Wind mit Spinnaker. Eine davon zeigte uns auch einen spektakulären Sonnenschuss, bei dem sie fast mit dem Mast auf die Wasseroberfläche kam.

Mit Umrundung der „Schwiegermutter“ beschlossen wir, auch Segel zu setzen. Erst einmal schön gerefft und gen Osten zu segeln. Selbst mit minimaler Segelfläche und raumen Wind schafften wir Rumpfgeschwindigkeit zu laufen.

Mit dem passieren des Leuchtfeuers Kalkgrund wurde dann auch der Seegang langsam stärker – genau wie der Wind. Felix und Carsten*) beschlossen sich erst einmal etwas hinzulegen um nachts fit zu sein. Bruno*) und ich waren die Wach-Crew. Allerdings gefiel begann der Magen von Bruno ein Wenig gegen den Seegang zu rebellieren, weswegen er sich auch noch einmal ein paar Minuten hinlegte. Der Kaugummi gegen Seekrankheit wirkte nicht – außer das er wohl eine dicke Zunge machte. Nach ca. 2  Stunden hatten wir ca. 1,5 m See und Wind, der in den Böen schon deutlich die 40 kn überstieg. Das führte dann zum endgültigen Totalausfall von Bruno. Nach einer innigen Freundschaft mit dem Bordmülleimer verzog er sich in die achterliche Koje und ward nicht mehr gesehen. Auch an Felix ging das dann nicht spurlos vorbei – er bevorzugte dann aber doch den Klassiker: Die Reling.

Damit waren nur noch Carsten und ich fit und so segelten wir dann in die Nacht, mit dem Ziel zum Morgengrauen in Klintholm zu sein. Unsere Geschwindigkeit versprach auch, dass wir es schaffen würden.

 

*) Namen geändert



Die Seenotretter: DGzRS