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Fortsetzung Schiffsübernahme und Überführung von Kroatien nach Rügen

Die Strasse von Messina

Am 11.03.02 morgens hörte es endlich auf mit dem Regen und die Strasse von Messina lag vor uns. Bis zum nächsten Etappenziel konnte es nun nicht mehr lange dauern. Zunächst ließ es sich am Vormittag ganz gut unter Segeln an. Wenn auch unser Idealkurs nicht möglich war so liefen wir bei nördlichen Winden recht flott auf Sizilien zu. Der Wind drehte ständig zwischen Nordwest und Nordost. Nachmittags hatten wir uns bis an die Sizilianische Küste vorgekämpft und nun konnten wir in langen Schlägen nach Nordost ziehen.      Hier bekamen wir es nun aber wieder mit einem anderen Problem zu tun. Die normale Windstärke lag so bei vier Bofort und plötzlich stürzten sich Fallböen auf uns in denen der Windmesser bis neun hochsprang. Ein Reff konnte man ja einbinden, aber fünf Minuten später wolle man doch auch noch vorwärts kommen. Also in den Böen etwas abfallen und jede Möglichkeit zum Anluven ausnutzen, es war wie Regattesegeln. Bald hatten wir dies auch im Griff und konnten mal einen Blick auf die Insel riskieren. Sehr hohe Steilküste (siehe Fallböen) und überall sahen wir den Äthna. Zumindest sah jeder neu auftauchende Berg so aus, gesehen haben wir ihn aber von dieser Seite nicht denn er war ständig von Wolken verdeckt und er ist ja auch tiefer im Land. Nach stundenlangem Kampf war dann endlich Messina voraus zu erkennen, aber bis dahin dauerte es noch eine ganze Weile. Doch irgendwann war es geschafft. An Backbord lag eine kleine Felseninsel die mit der Mole verbunden war und die galt es noch zu runden, dann war der Blick in den Hafen frei. Davor lag aber noch ein Hindernis, ungefähr „tausend“ Fähren welche wie irre mit AK umherjagten. Doch auch dies konnte uns nun nicht mehr bremsen, Segel runter und mit Vollgas Kurs auf die Marina. Eine Gemeinheit war jedoch noch für uns bestimmt; plötzlich aus heiterem Himmel ein Regenschauer vom allerfeinsten, die Marina war verschwunden, das Land kaum noch zu erkennen, also langsamer fahren damit der Schauer vorüber gehen kann. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei und wir nass. Triefend liefen wir in den Hafen ein. Ein schwimmender Wellenbrecher grenzt das Becken zum Fährhafen ab, wo doch eine nicht zu verachtende Welle stand und dann Liegeplätze mit Moorings. Ich entschloss mich mit dem Bug anzulegen, das war hier scheinbar nicht geregelt, denn viele lagen so. Da kam auch schon ein Schlauchboot auf uns zu geschossen, ein freundlicher junger Mann winkte und zeigte uns wo wir anlegen sollten. Schnell hatte er sein Gummiboot angebunden, nahm unsere Bugleine an, reichte die Mooringleine rüber und ruckzuck waren wir fest. Noch ein paar Korrekturen und alles war erledigt. Es war mittlerweile auch schon 18 Uhr geworden und dunkel. Mit dem Hafenmeister fuhr ich, die Papiere unter den Arm geklemmt, im Schlauchboot zur offiziellen Anmeldung. Da wir jetzt zum ersten Mal in einem Yachthafen lagen folgte eine Menge Papierkram: woher, wohin, Angaben zum Boot und Versicherung, wie lange und natürlich das Liegegeld. Dann Einweisung in die Örtlichkeiten Toilette, Dusche usw. Nach dem das alles erledigt war brachte er mich sogar mit seinem Boot wieder an Bord. Was für ein Service! Jetzt gab es für alle kein Halten mehr nichts wie ab unter die Dusche, wenn wir hier schon 16 € bezahlen dann muß auch alles richtig ausgenutzt werden.

Danach noch ein warmes Abendessen und dann nichts wie an Land. Ja, was gibt es viel über Messina zu erzählen? Eine große quirlige italienische Stadt mit vielen Baustellen und viel Lärm. Lange wollen wir hier ja ohnehin nicht bleiben. Morgen den ganzen Tag und Übermorgen vormittags wird es weiter gehen. Einige Sachen müssen wir kaufen, vor allem Grünzeug für Anne, da sie ja kein Fleisch isst, ist das am wichtigsten. Jetzt hieß es einen Supermarkt finden, an der Hauptmagistrale waren nur Banken und Neppgeschäfte. Apropos Banken, Anne versuchte an jeder Bank verzweifelt an ihre Euros zu kommen, aber wenn man seine PIN-Nummer vergessen hat, dann ist das gar nicht so einfach. Jede erdenkliche Kombination wurde ausprobiert, ohne Erfolg. So ging es leider bis nach Hause, die Nummer fiel ihr einfach nicht mehr ein. Beim Einkauf merkten wir, dass wir doch Einiges mehr benötigten als gedacht und so füllte sich unser Einkaufswagen rasch. Wie sollten wir dies alles nur an Bord schaffen? Uns blieb ja gar nichts weiter übrig als den Wagen zu entführen! Mit dem hoch beladenen Ungetüm quälten wir uns durch die Straßen, zu unserem Glück ging es gemächlich bergab, so daß es uns zu dritt einigermaßen gelang den Wagen mit seinen beweglichen Rädern zu bändigen. Problematisch wurde es erst als wir kurz vorm Ziel, wo die Baustelle der Straßenbahn überquert werden musste. Der Wagen musste teilweise „geleichtert“ werden, denn er war so schwer dass wir ihn nicht über die Schienen wuchten konnten. Auf dem letzten Stück über die Bohlen des Steges erregten wir noch mal viel Aufmerksamkeit, denn die kleinen Räder machten durch die Querrillen einen Höllenlärm, so das aus allen bewohnten Schiffen sämtliche Crews verstört herausschauten. Am nächsten Morgen sorgte ich beim Brötchenkauf dafür, dass der Wagen wieder an seinen  angestammten Platz kam.

Endlich nach Westen!
Ins Thyrenische Meer

Nach dem Auslaufen aus Messina ging es bei flauem Wind nach Norden. Es herrschte reger Schiffsverkehr, der noch durch querlaufende Fähren zum Italienischen Festland verstärkt wurde. Es hieß also mächtig aufpassen. Die Kurse der Schiffe waren unberechenbar, da sie wegen des starken Stromes sehr vorhalten mussten und dadurch zeigten ihre Büge immer ganz woanders hin als sie eigentlich wollten. Das Wasser selbst war glatt wie ein Kinderpopo. Vor dem Schiff war eine wilde Kräuselung an der Wasseroberfläche zu erkennen. Das war die starke Strömung vor der das Handbuch warnte. Wie ein riesiger Strudel drehte und wirbelte das Wasser, die Ränder des Phänomens zeichneten sich scharf ab. So etwas hatten wir alle noch nicht gesehen. Nun stach mich der Hafer. Was konnte schon passieren? Ich weis gar nicht mehr wer am Ruder stand, jedenfalls hielten wir voll in das Chaos hinein. Als das Schiff zur Hälfte im Strudel war riss es uns mit gewaltiger Kraft nach Steuerbord, das Boot war nun nicht mehr zu halten. Um zu verhindern dass es uns vollkommen herum drehte musste ich den Motor auf Vollgas hochjagen. Nun hatten wir es wieder im Griff, es war wieder steuerfähig. Nie hätte ich gedacht dass diese Naturgewalt das zwölf Tonnen schwere Schiff so herumwerkeln würde. Nach diesem Erlebnis wurde es nun Zeit sich um die Segelei zu kümmern. Der bisher kaum spürbare Wind hatte etwas zugelegt, so dass wir nun unter Vollzeug eine gute Fahrt liefen. Es waren jetzt gute vier Windstärken und das Boot lief voll und bei mit allem was wir zu bieten hatten. Es stand eine lange Dünung über die sich die Yacht mit nun über acht Knoten hinweg warf. Niemand war am Ruder, völlig ausgewogen jagte meine BAZILLUS wie auf Schienen dahin. Ich lag im Bugkorb, schaute ins Rigg und genoss die Fahrt. An Backbord im Dunst tauchte Vulkano, die erste der Liparischen Inseln auf. Plötzlich kamen von allen Seiten wie auf Kommando zwanzig oder auch dreißig Delphine auf uns zu gerast. Ein lauter Ruf von mir brachte meine Mitsegler in Bewegung, Fotoapparate und Videokameras wurden hervor geholt und ein wildes  Fotografieren begann. Es war ein wunderbares Schauspiel wie diese Tiere um das Boot herumsprangen und in die Bugwelle tauchten. Immer wieder so haarscharf vor dem Bug das man befürchten muss sie zu überfahren oder zu verletzen.
Es war auf dieser Reise das erste Mal das wir die Fahrt genießen konnten und jeder seinen Vorlieben nachgehen konnte. Wenn’s auch sehr Dunstig war, so schien doch die Sonne und es war auch angenehm warm. Immer mehr Inseln waren an Backbord zu erkennen und irgendwo voraus konnte man schon unser Ziel Stromboli erahnen. Eber wie so oft kam es auch dies mal wieder anders. Am späten Nachmittag drehte der Wind nördlicher und wir konnten diesen Kurs nicht mehr halten. Also Stromboli ade. Unser Kurs führte nun direkt Zwischen die Inseln, für unsere Generalrichtung ja immer noch OK, aber für die Nacht war nun erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich. Am Abend wurde es klarer und man konnte im Süden Sizilien mit dem hoch darüber hinaus ragenden Äthna sehen. Nun bekamen wir ihn also doch noch zu Gesicht, denn alles was wir vorher als den Vulkan angesehen hatten war natürlich nichts. Der Wind verabschiedete sich nun auch wieder und uns blieb nur die eiserne Fock. Rings um uns waren nun die Lichter der Inseln zu sehen, aber es wurde eine ruhige Nacht.

Der erste Sturm

Am frühen Morgen wurde uns noch ein romantischer Sonnenaufgang beschert. Zwischen den nun hinter uns liegenden Inseln kam sie feuerrot aus dem Wasser gekrochen und beschenkte mich mit einer Saukälte und Feuchtigkeit. Hier war bestimmt eine Wetteränderung zu erwarten. Also suchte ich den Italienischen Wetterbericht, der immer sehr gut war. Jede Stunde in Italienisch und Englisch, gut zu verstehen. Ost bis Südost bis zehn Beaufort wurde uns versprochen. Das würde bestimmt lustig werden. Vorerst war davon jedoch noch nicht zu merken. Bei etwa fünf aus SO zogen wir mit guter Fahrt und Backstagsbriese am westlichsten Ende von Sizilien vorbei.

Im Laufe des Tages wurde es dann immer ruppiger so dass wir bald nur noch unter gereffter Genua und Besanstag liefen. Durch die offene Strasse von Sizilien kam nun auch eine entsprechende Dünung. Aber durch den anliegenden Kurs auf Sardinien war es eine schöne Rauschefahrt, wenn auch mit sehr viel Arbeit am Ruder. Es galt ganz verdammt aufzupassen, dass das Schiff nicht aus dem Ruder lief. Die kommende Nacht würde unsere erste Bewährungsprobe sein. Den ersten Wachturn übernahm Anne. Nach drei Stunden war dann der Bayer dran. Bis jetzt hatte er sich ja ganz gut gemacht und es gab eigentlich keine Beanstandungen. Irgendwann wurde ich durch lautes Gepolter an Deck geweckt. Ich lag in der Koje und versuchte die Geräusche an Deck zu bestimmen. Bis jetzt hatte noch keiner nach mir gerufen und es beruhigte sich oben wieder. Im Halbschlaf merkte ich das eine Halse drohte und entschloß mich nach oben zu gehen. Als ich den Kopf aus dem Luk steckte passierte es. Das Boot schoß nach Steuerbord aus und war nicht mehr zu halten. Wir waren auf Stb-Bug gesegelt, der Baum des Stagsegels schoß nach BB und das Boot wurde auf die Seite geworfen. Ich klammerte mich im Niedergang fest und schrie den Bayern an, er solle das Boot vor den Wind bringen, er reagierte nicht. Dann sah ich Anne mit den Händen über den Kopf auf der Steuerbordwinsch liegen. Raus und hin zu ihr das war alles eins. Das Boot reagierte immer noch nicht. Also wieder etwas zum Rudergänger gebrüllt, der völlig apathisch am Rad drehte. Bei Anne angekommen „Anne was ist? Hast du den Baum abbekommen?“ „Meine Beine, meine Beine“ Blut war jedenfalls am Kopf nicht zu sehen und irgendwie kam mir ihre Stimme auch nicht sehr verzweifelt vor. Also die Beine! Was ist da los? Dann sah ich dass die Schot um ihre Füße gewickelt war und sie sich festhalten musste um nicht mitgezogen zu werden. Als ich sie nun befreit hatte sah ich dass sie grinste, mir fiel ein Stein vom Herzen. Aber nun musste ich mich um das Schiff kümmern, das immer noch auf der BB Seite lag. Während der Aktion waren einige sehr unfreundliche Worte gefallen und unser Bayer stand mit Tränen in den Augen hilflos da, ich stieß ihn beiseite warf die Schot los, fuhr eine Wende und das Boot lag wieder auf dem alten Kurs. Das Manöver hatte vielleicht fünf Minuten gedauert, mir war es wie eine halbe Stunde vorgekommen. Jetzt merkte ich erst das ich gar nicht angezogen war. Anne musste noch mal ans Ruder damit ich schnell in meinen Kampfanzug schlüpfen konnte und dann übernahm ich für den Rest der Nacht das Ruder.

Der nächste Tag begrüßte uns trotz des immer noch starken Windes und der gewaltigen achterlichen Dünung mit herrlichem Sonnenschein. Durch die Rollerei vor dem Wind war die, zu einem Drittel gereffte, Genua starken Belastungen ausgesetzt und so blieb es nicht aus, das es plötzlich nach einem gewaltigen Schlenker, knallte und das große Segel mit seinen 70m² in voller Größe ausrollte. Die Leine zum Einrollen des Vorsegels war gebrochen. Um den Schaden zu beheben musste das Segel herunter. Das gestaltete sich bei dem herrschenden Wind mit dem 75 m² großen Lappen recht schwierig. Als das größere Ende unten war fasste der Wind darunter und wehte das Tuch über Bord. Zu allem Überfluss geriet es auch noch unter das Boot so das wir zu dritt alle Hände voll zutun hatten um das Segel ohne Schaden zu bergen. Jetzt war es möglich die Rollreffleine neu zu befestigen, zum Glück war sie lang genug, danach ging das Segel wieder hoch und der Schaden war behoben.

Der Mitsegler

Nach dem sich nun alles wieder beruhigt hatte bestellte ich mir einen Drink und wir saßen noch einen Augenblick schweigend zusammen. Am nächsten Morgen war von dem nächtlichen Intermezzo nur ein schwacher Wind und eine hoch laufende Dünung übrig geblieben. Ich hatte inzwischen ausgerefft und wir machten immer noch eine zufrieden stellende Fahrt. Gegen acht Uhr gab es gab es dann ein ausgiebiges Frühstück. Danach mußte der Bayer wieder ans Ruder, denn er hatte ja eine schöne lange Nacht gehabt. Während seiner ersten schüchternen Steuerversuche gestand er mir dass er noch nie vor dem Wind gesteuert hatte und so überwachte ich ihn noch ein wenig. Nun kam natürlich noch mehr zum Vorschein, er war Herzkrank und deshalb von seinem Beamtenposten als Briefträger in den Ruhestand versetzt worden. Gesegelt hatte er sogar schon als Skipper mit Freunden auf einer Charteryacht. Sind sie da nie vor dem Wind gefahren? Ich hatte wohl in meiner Rage irgend wann gesagt, das für ihn auf Mallorca die Reise zu Ende wäre, nun bat er mich mit Tränen in den Augen ihn doch weiter fahren zu lassen, denn für ihn sei es sehr wichtig. Na ja, inzwischen hatte sich ja auch alles wieder beruhigt und eigentlich brauchte ich ihn ja auch. Dieser Tag verlief nun ohne weitere Zwischenfälle und am Morgen darauf hatten wir die ersten Leuchtfeuer von Sardinien an der Kimm.

 

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