Segelberichte, Törnerzählungen, www.segel-berichte.de

Abenteuerurlaub

Schwedenreise 2012, wir immer einhand im Folkeboot- Fortsetzung

 

Nicht weit genug, Teil 3

20. Juli: Anholt - Grenå (geplantes Ziel: Korshavn), Sonne, Nordwest, später West 6

In der Nacht brist es so auf, dass ich keine Chance sehe, unfallfrei vom Liegeplatz wegzukommen und mich schon auf einen Tag Strandurlaub einrichte. Morgens ist es relativ ruhig, ungerefft und froh über den günstigen Wind fahre ich los. Es wird ein entsetzlicher Tag. Ich bin kaum aus dem Hafen raus, als es wieder ordentlich lospustet. Spätestens nach dem Sperrgebiet wird die hackige Welle unerträglich, der nordgehende Strom, den ich neulich noch so genossen habe, wird mir zum Verhängnis. Ich bin vier Meilen vor Grenå (!!!), als ich aufgebe: so langsam bin ich noch nie bei solchem Wind gefahren. Grenå, immer wieder Grenå, schon zum vierten Mal dieses Jahr, nie war es so geplant, aber diesmal freue ich mich unbändig, als aus vierzig Meilen bis zum Ziel mit einer einzigen Wende vier werden. Ich war auch noch nie so erleichtert, in Grenå zu sein wie jetzt. Wen treffe ich da? Nein, das habt ihr jetzt falsch geraten. Es ist der Segler, der mir in Anholt die Leinen angenommen hat. Ich erzähle, wie mein Tag verlaufen ist, und er bestätigt mir: es hat mit der Schiffsgröße überhaupt nichts zu tun, wir haben alle die gleichen Probleme.

 

 

Nicht weit genug, Teil 4

21. Juli: Grenå - Tunø (geplantes Ziel: Korshavn oder Middelfart, ersatzweise Endelave), Sonne, Nordwest 4-5, nachmittags alles Grütze

 

Alles ist gut. Alles ist entspannt. Ein Anruf bei der Arbeit, man braucht mich erst am Freitag statt am Dienstag, ich habe noch eine ganze Woche Zeit. Was nicht heißt, dass mein Ehrgeiz, trotzdem pünktlich zuhause zu sein, nicht dadurch erst richtig geweckt würde. Ich stehe früh auf, fahre los, wenn es gut läuft, will ich nach Korshavn, aber da hatte ich ja gestern schon von gesprochen. Bis Hjelm geht es dödelig voran, dann ist plötzlich richtiger Wind und mitlaufender Strom und ordentlich Fahrt im Schiff. Mit leuchtenden Augen denke ich an Middelfart und an morgen Abend zuhause. Naja. Es wird dann Tunø, die letzte Meile motore ich bei Windstille, und kurz vorm Hafen gibt's die erste kurze Dusche. Es folgen noch zwei dolle Schauer und ein handfestes Gewitter, bevor das Hafenleben in Gang kommt. "Windspeel" läuft ein...die haben das richtig gemacht, sind einen Tag auf Anholt geblieben und hatten heute dreißig Meilen guten Wind und nicht nur fünf Meilen wie ich. Dafür war ich vor dem Regen da. Ick bün all hier, seggte der Igel.

Lauter Individualisten mit kleinen Schiffchen liegen mit mir im Päckchen oder drumherum, ein Folkeboot Baujahr 61 ist auch dabei, im Pub gibt es Bier und Livemusik. Es wird mal wieder spät, aber was soll's, es wirklich gelungener Abend.

 

Nicht weit genug, Teil 5

22. Juli: Tunø - Lundeborg (geplantes Ziel: Marstal), Sonne, Westnordwest 4-6

Unausgeschlafen und elanvoll, doch, das passt zusammen. Es wird dann doch der Große Belt, halber Wind und ordentlich speed, wir klappern munter die Wegpunkte ab und sausen fröhlich durch die Brücke. An dem Punkt habe ich beschlossen bis Marstal durchzusegeln, das wären 75 Meilen, davon die letzten fünf gegenan, Ankunft in der Dunkelheit, aber danach ist Südwest, da geht es ja dann auch nicht mehr voran. Nach der Brücke wird es aber schon wieder heftig, Schräglage bis sonstwo, das Leewant hängt durch, als wäre der Mast auf dem Kiel verrutscht (ist aber nicht). Arme, alte Paula. Eine hackige Welle wie gehabt, wir quälen uns auf dem schnellsten Weg unter Land, dann wird es angenehmer. Mit ist das alles nicht geheuer, ich will mich weder länger mit solchen Böen abquälen noch am späten Abend gegen so einen Scheiß aufkreuzen. Und was passiert? Gerade, als ich vor Lundeborg die Segel berge, dreht der Wind ankündigungslos auf Südwest. Heute, spätestens morgen hätte ich zuhause sein sollen, letzteres wäre ja noch zu schaffen gewesen, aber nun nicht mehr. Ich bin mit dem Erreichten des Tages trotzdem zufrieden und gönne mir einen üppigen Teller im Fischimbiss.

Stolz und Seglerglück (Nicht weit genug, Teil 6)

23. Juli: Lundeborg - Hjortø (geplantes Ziel: Marstal), Sonne, Südwest jeglicher Ausprägung

Es gibt beim Segeln wohl nur einen Weg, zufrieden zu sein: man muss spontan bereit sein, gemacht Pläne über den Haufen zu werfen. Morgen wird ein schwacher Südwest auf Südost drehen, ich fülle sicherheitshalber nochmal den Ersatzkanister. Dann binde ich das Reff ein, ist zwar nur 4-5 angekündigt, aber ich habe eeeeeeecht kein Bock mehr auf sportlich. Irgendwem rufe ich noch zu, dass das heute wohl nicht so toll wird.

Nach zwei, drei Kabellängen bin ich mit der Entscheidung zu reffen überglücklich. Was im Hafen hinter all den Häusern und Bäumen so nicht zu spüren war, zeigt sich jetzt: das sind gut und gerne sechs Beaufort, zumindest in den Böen, die Segelfläche ist auf keinen Fall zu gering. Paula läuft ausgezeichnet, ich sehe andere Schiffe, auch größere, mit oder ohne Reff, in unserem Kielwasser zurückbleiben. Wir laufen mehr Höhe, machen mehr Fahrt - und brauchen doch fast drei Stunden für sieben Meilen nach Luv. Dann geht es in den Svendborgsund. Über Rudkøbing wäre zwar kürzer, aber wie ich da durchkommen soll gegen den Wind und Strömung, muss mir erstmal einer erklären. Ein paar Meilen ist es geschützt und um und bei raumschots. "Amazone" kommt mir entgegen, das Schwesterschiff von "Jonas". Sönke ruft rüber, ob ich die getroffen habe, da weiß ich noch nicht, wie knapp ich sie verpasst habe und schüttele den Kopf, anschließend fotografiert er Paula, wie sie mit schlagenden Segeln im Lee von "Amazones" Großsegel steht. Na, vielen Dank.

Ab Svendborg Hafen ist wieder gegenan, und ich beschließe, um jeden Preis zu kreuzen. Der Preis ist natürlich, dass es nicht schnell vorangeht, aber Stück für Stück kommen wir doch vorwärts, und es ist mal wieder anspruchsvolles Segeln, jede Wende will so getimt sein, dass wir keine Tonne rammen, keinen anderen in die Quere kommen und uns auf keinem der vielen Flachs festfahren. Und es klappt. Es klappt sogar durch die Brücke, gegen Wind und Strömung, drei Wenden zwischen den Pfeilern, dann sind wir durch.

Nachdem wir aus der ganzen Abdeckung raus sind, kann ich erstmal ausreffen. Ohne meterhohe See ist das auch kein Problem, und es ist echt kaum noch Wind, der Strom ist gekentert, und eilig haben wir es auch nicht. Immer mal wieder fällt mir ein IF auf, das den gleichen Weg nimmt. Ein Blick auf die Karte, und was sehe ich da? Das enge Højestene Løb ist in Wirklichkeit gar nicht so eng, man darf nur nicht die wenigen Stellen treffen, wo es neben dem Fahrwasser tatsächlich flach wird. Also kreuzen wir weiter und genießen die schöne Nachmittagsstimmung. Das IF fährt nach Hjortø in den kleinen Hafen, freundlich grüßend. Ich kreuze mal noch mein Fahrwasser zuende auf, dann befürchte ich, dass jeden Moment der Wind einschläft und ich, um nach Marstal zu kommen, noch motoren muss. Das kommt nicht in Frage, nicht nach allem, was ich heute schon gesegelt bin. Bereitwillig erliege ich dem Charme der jungen Leute mit dem IF -  und dem Charme der kleinen Insel, der einzigen in dieser ganzen Gegend, wo ich noch nie war.

Beim Anlegen sehe ich erst, mit wem ich es da zu tun habe: mit niemand geringerem als der "Wilden 13", Schmuckstück der Jugendabteilung unseres Hafens. Und dann ist da noch eine Yacht mit französischer Flagge. Mit dem Skipper trinke ich Rotwein bis spät in die Nacht, lasse mir die Tücken des Mittelmeers erklären (er kommt aus Marseille) und mache ausgiebig Werbung für die Göteborger Schären. Von mir fast unbemerkt ist es doch noch Sommer geworden, mit nächtlicher Flaute und spiegelglattem Wasser, Mücken und T-Shirt-Wetter rund um die Uhr.

Vorher rufe ich auf "Jonas" an, die auf dem Weg dahin sind, wo ich gerade herkomme. "Wir sind gestern los" bekomme ich zu hören, "und bis Lundeborg gekommen." Mir geht die Klappe runter. Die haben eine Meile südlich von dem Hafen, wo ich war, geankert - es ist wirklich nicht zu fassen: da trifft man immer wieder die gleichen Leute an den absurdesten Orten, aber die engsten Segelfreunde verpasst man um eine einzige Meile!!!

 

Der Rest

24. Juli: Hjortø - Arnis, schwach umlaufend, Sonne

Bis Marstal kreuze ich noch, abgesehen von einem kurzen Stück, als es im Mørkedyb beim besten Willen nicht mehr vorangeht. Dann läuft der Motor, selbst als gegen Ende durchaus eine spürbare Brise aufkommt, die Segel bringen einen zusätzlichen Knoten und die nötige Stabilität, aber ich mache jetzt keine Kompromisse mehr. Ich habe eine bestimmte Brückenöffnung im Sinn, und die schaffe ich letztlich auch, mit dem letzten Tropfen Benzin fährt eine fertig aufgeklarte Paula in den Hafen. Die Abenteuerreise ist zuende.

 

Autor: Nicolas Thon

Web: www.nicolas-thon.de

 

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