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Abenteuerurlaub

Schwedenreise 2012, wir immer einhand im Folkeboot- Fortsetzung

 

Wie man sich gegenseitig den Wind aus den Segeln nimmt...

9. Juli: Vasholmen - Hamburgsund

Kleine Panne: ich hab kein Wasser mehr, es reicht gerade noch für den morgendlichen Kaffee. Da hätte eigentlich noch ein voller Kanister sein sollen, hab ich aber vor der Reise nicht mehr überprüft, und er entpuppt sich als leer. Meine einzige Klopapierrolle ist auch abgesoffen, sowas kommt auf alten Holzbooten vor. Dann geht es heute also mal in einen Gästehafen, und weil in den Ohren eines Hamburgers „Hamburgsund“ so vielversprechend klingt, fahre ich da hin. Ich bin leicht enttäuscht, die Gullholmen und Kyrkesunds auf dem Weg waren so unendlich viel pittoresker. Aber es gibt auch nichts zu meckern: ich fahre am vollen Hafen erstmal vorbei, drehe vor der Fähre mit ratlosem Gesicht um, im gleichen Moment legen zwei Schiffe ab, und ich habe meinen Platz. Dann bekomme ich alles, was ich brauche, Wasser, Strom, Proviant, Müllentsorgung.

Enges Fahrwasser mit schwachem Wind von achtern ist nicht wirklich großartig: abgesehen von der alten Welle, die in ungeschützten Passagen angerollt kommt, sorgen die unsäglichen Motorboote, die immer wieder wie ein Wespenschwarm um die Segelschiffe herumschwirren, für schlagende Segel und Anflüge von schlechter Laune. Es gibt noch mehr unbefriedigende Situationen: vor uns fährt eine Yacht nur mit Großsegel mitten im Fahrwasser. Paula mit Vollzeug ist etwas schneller, ich überhole am Tonnenstrich. Als wir nebeneinander sind, kommt von hinten eine Ketsch endlich auf, die segelt mit ihrer riesigen Genua und ist so nur unwesentlich schneller, aber eben doch ein bisschen. Das ändert sich gerade, als es zwischen Baken, Tonnen und Steinen eng wird: Die Ketsch nimmt Paula und der anderen Yacht den Wind aus den Segeln, wir bleiben stehen, und die müssen sich irgendwie dazwischenquetschen. Kaum haben sie das geschafft, schon nehmen wir anderen wieder Fahrt auf, und es dauert eine Ewigkeit, bis alle aneinander vorbeisind und endlich wieder Platz zum manövrieren haben. Die Motoryachten machen das alles nicht unbedingt einfacher. Es geht so gerade nochmal gut, ohne dass ich den Motor anwerfe, um mich zu verpissen, aber ich denke immerhin darüber nach. Alternative wäre ein Treibanker, um die anderen schneller vorbeizulassen - wenn in so einer Situation noch jemand pennt und ein Schiff übersieht, kann man davon ausgehen, dass es kracht. Naja, ist ja auch n Abenteuertörn...

 

Gemächlich, gemächlich

10. Juli: Hamburgsund - Gluppö, sonnig, nachmittags bedeckt und etwas Regen, nachts Südwest 6

Sieben Meilen bis Gluppö, kaum Wind, eine gelungene Abwechslung zu den sportlichen Tagen am Anfang (und, wie sich zeigen wird, auch am Ende...!). Was soll man sagen? Große Bucht mit unendlichen Festmach- und Ankermöglichkeiten, die Insel ist groß genug für einen ausgiebigen Landgang, die Aussicht ist dramatisch. Als die Wolken kommen, gebe ich das auf und wende mich mal wieder meinem Buch zu. Ich liege längsseits am Felsen, meine norwegischen Nachbarn sind ausgesprochen nett, und ich erfahre: Weiter nördlich als Fjällbacka braucht man nicht zu fahren, dort ist es am schönsten, außer noch zu den Kosterinseln, und Väderöarne sollte man auch nicht auslassen. Ich mache also einen entsprechenden Plan für die nächsten Tage.

Dramatik auf engstem Raum

11. Juli: Gluppö - Storö, wolkig, Südwest 5-6

Väderöarne („Wetterinseln“) ist eine Gruppe Felsen, die dem sonstigen Schärengürtel sechs Meilen vorgelagert ist. Schon um 1600 herum gab es dort eine Lotsenstation, und wer zum ersten Mal vom Skagerak her auf diese steinige Inselwelt zugefahren ist und trotz GPS völlig auf dem Schlauch stand, weiß warum. Ich brauche eine kurze, heftige, ruppige Stunde dorthin. Der Hafen (also: Gäste-, nicht Naturhafen, das heißt es gibt Stege und Strom) ist absolut einzigartig, schon im Hafenhandbuch gewinne ich den Eindruck, dass hier Dramatik vorprogrammiert ist, da weiß ich noch nicht, dass ich mir vor allem das Leben selbst unnötig schwer machen werde. Neben der Einfahrt liegt zunächst mal ein Felsen unter Wasser, Peilmarken weisen den Weg um ihn herum, und im Restaurant im Hafen wird eine Strichliste geführt, wieviele Schiffe trotzdem dran hängenbleiben. Das passiert mir natürlich nicht, aber ganz glatt läuft das Einlaufen trotzdem nicht. Die Hafeneinfahrt ist das schmalste, was ich jemals gesehen habe, das sind garantiert keine zehn Meter, und während wir da so, von einer Bö angetrieben, hineinrauschen, frage ich mich, wie ich da drehen soll zwischen der Pier und den Felsen gegenüber. Es klappt trotzdem, Paula ist ja auch keine 40-Fuß-Yacht. Päckchenliegen ist angesagt, bei schönem Wetter übernimmt der Hafenmeister das Tetrisspiel und weist allen einen Platz zu entsprechend der Schiffslänge und der geplanten Abreise. Heute ist niemand gekommen außer mir. Ich frage freundlich, ob ich längsseits kommen darf, drehe mühsam mein Schiffchen um und denke noch, dass ich das Schlauchboot hätte dichter nehmen sollen, jetzt schlurt seine Vorleine da so bedenklich um den Außenborder rum. Es passiert, was zu erwarten war: der Propeller wickelt ein paar Törns davon auf, der Motor geht aus, Paula treibt hilflos - aber sie treibt wunderbar zu einem andern Schiff und lehnt sich entspannt dagegen, ich drücke einer verdutzenden Schwedin ein paar Leinen in die Hand, und alles ist gut (kurz darauf legt eine Motoryacht ab und ich bekomme doch noch meinen Stegplatz). Es ist nichts beschädigt und es gab kein Geschrei, also insgesamt ein gelungenes Manöver.

 

Rekorde, Rekorde

12.&13. Juli: Kyrkosund (Süd-Koster), Südwest 4-5, heiter bis wolkig, nachmittags Schauer, am nächsten Tag gleiches Wetter bei Süd um 6

Koster ist der übereinstimmende Geheimtipp von Ingmar und den Norwegern aus Gluppö, und sie haben recht: ein echtes Highlight. Die Insel hat so ein Astrid-Lindgren-Feeling, fast zu perfekt, ziemlich groß mit fahrradtauglichen Wegen und viel Wald, der zum Spaziergang einlädt, dazwischen weiße, rote und gelbe Sommerhäuser, dazu einem einmaligen Blick über den Schärengarten südlich von Koster.

Es ist die Insel der Rekorde: Das westlichste Stück Land in Schweden, mit der westlichsten Kirche, der westlichsten Kneipe. Es gibt den wenigsten Niederschlag (gemeinsam mit Öland) und das kälteste Wasser mit dem höchsten Salzgehalt. Auf Ursholmen, einer der Schären in Sichtweite, steht Schwedens ältester Leuchtturm. Für mich ist es der nördlichste Punkt der Reise, der nördlichste, wo ich mit Paula jemals hingekommen bin.

Schonmal einen vollen Hafen gesehen? Das geht noch besser. Am Steg ist Platz für ungefähr zwanzig Schiffe, und dahinter liegt eine Reihe mit genausovielen, wiederum dahinter eine weitere Reihe. Da ist viel Gekrabbel über Relings und anderer Leute Abendessen dabei, und wer vorne liegt, hat zwar den bequemen Ausstieg, dafür aber auch keine Chance, rauszukommen, bevor die anderen losfahren. Und die meisten schlafen gerne extrem lang, schließlich sind Ferien. Da passt es doch gut, dass gerade, als ich ankomme, ein Platz an der halbrunden Pier bei der Einfahrt freigeworden ist, das sieht lustig aus, weil rechts und links hochbordige Motoryachten liegen, aber an dieser Stelle kann sich keiner dahinter legen.

Am nächsten Tag pustet es mir zu sehr, und ohnehin möchte ich mir die Insel in Ruhe und aller Ausführlichkeit ansehen, wer weiß, wann ich hier mal wieder bin, also bleibe ich noch einen Tag liegen. Nebenbei bemerkt, eine der Motoryachten fährt weg, statt dessen liegt "Windspeel" neben mir, ein Paar aus Flensburg, wir kommen sachte ins Gespräch, wünschen einander eine gute Reise, und das war's. Oder?

 

 

Fortsetzung