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Fortsetzung Schiffsübernahme und Überführung von Kroatien nach Rügen

Tarifa

Am 02.04.02 am frühen Morgen um 7 Uhr legten wir ab und bei leichtem Nieselregen ging es nun endlich in nördliche Richtung. Bei flauen westlichen Winden krochen wir langsam auf das Cabo Trafalger zu. Es war sicher ein taktischer Fehler dass ich so dicht unter Land geblieben war, denn wir hatten sehr stark mit dem Gegenstrom zu kämpfen und kamen nur langsam voran. Um 17 Uhr hatten wir dann endlich Trafalger hinter uns gelassen. In dieser Art ging es die ganze Nacht und den folgenden Tag weiter, Regen, ungünstiger Wind, mal zu viel dann wieder zu wenig. Am späten Abend des zweiten Tages sahen wir weit voraus die ersten Schiffe vor Cadiz auf Reede liegen und freuten uns schon mächtig auf die Ankunft. Aber unsere Geduld wurde noch auf eine sehr harte Probe gestellt. Die Halbinsel, auf welcher die Stadt liegt, zieht sich ewig lang hin und es dauerte noch Stunden bis wir dann endlich im Hafen waren und es war, wie immer beim Einlaufen in einen fremden Hafen, bereits weit nach Mitternacht.

Nach dem wir uns am nächsten Tag einwenig in der Stadt umgeschaut hatten mussten wir uns von unserem letzten Mitsegler verabschieden. Jetzt begann für Anne und mich der härteste Teil unseres Törns. Von nun an hieß es allein klar kommen. Wir hatten uns lange darauf vorbereitet und waren guten Mutes dass alles klappen würde. Harald brachten wir zum Bahnhof, er wollte sich nach Lissabon durchschlagen, von dort hatte er einen Flug gebucht.

Freitag, den 05.04.02 um 9-30 Uhr starteten wir in Richtung Portugal. Unser erster WP liegt 86 Meilen vor uns, quer ab von Villamura. Zunächst hieß es wieder die eiserne Fock bemühen, denn der Wind war gleich null. Nach und nach kam dann etwas Briese auf, die natürlich wieder äußerst ungünstig einfiel und auch stetig zunahm. Um 21-30 Uhr lagen wir bei acht Windstärken von NW beigedreht. Da uns nun nichts anderes übrig blieb versuchten wir ein Wenig zu schlafen. Anne gelang es auch sehr gut. Ich aber kam nicht zur Ruhe. Ich hatte mich achtern im Salon hingelegt, und immer wenn ich halb abgenippelt war, dann knallte es irgendwo am Heck ganz fürchterlich. Ich musste der Sache unbedingt auf den Grund gehen. Also ging ich nach draussen und setzte mich, angeschnallt mit dem Sicherheitsgurt, auf das Heck. Nach einigen Minuten erkannte ich die Ursache der Knallerei, die sich hier draussen nicht so schlimm anhörte. Die Wellen liefen schneller als das Schiff trieb und so kam es, das hin und wieder eine See ganz kräftig unter das Heck schlug. Nun da ich die Ursache kannte war ich beruhigt und konnte wieder unter Deck gehen. Mit dem Schlafen war es jedoch auch vorbei. Ab Mitternacht kämpften wir uns dann wieder Meile für Meile kreuzend vorwärts. Am Morgen versprach uns der Wetterbericht von Faro W bis NW 6 mit Böen von bis zu sechzig Knoten. Da es uns kaum gelang Weg nach Luv gut zu machen entschlossen wir uns vormittags um halb zehn nach Huelva abzulaufen. Um 12-30 standen wir etwa eine Meile vor der gewaltigen Mole. An Segeln stand nur die etwa halb eingerollte Genua, der Wind kam mit Beaufort 5 genau von Achtern und es lief eine konfuse Dünung. Das war wohl auch der Grund dass ich mich nach hinten umschaute, ich konnte zuerst gar nicht fassen was da auf uns zukam. Eine etliche hundert Meter breite Wand aus Gischt kam auf uns zu gejagt. Wind und fliegendes Wasser! Dann ein Schrei: „ Anne, Anne sofooort hoch kommen, das Segel wegrollen!!!“ Sie war augenblicklich oben und gemeinsam gelang es uns noch das Vorsegel bis auf wenige Quadratmeter wegzunehmen. Dann brach es auch schon über das Schiff herein! Von Steuerbord achtern drückte die Böe das Boot aufs Wasser. Während ich mit fliegenden Fingern die Schot löste sah ich aus den Augenwinkeln wie die unterste BB Saling durchs Wasser zog. Ich ließ die Schot los und unter aller Kraftanstrengung gelang es uns das Segel ganz ein zu rollen. Mit dieser Windwalze baute sich auch urplötzlich die schon vorhandene Dünung zu kräftigen Brechern auf. Als das Boot sich wieder aufrichtete lief auch schon der Motor und nun kämpften wir uns die letzten hundert Meter in den Schutz der Mole an der Mündung des Ria de Huelva. Der Windmesser stand bei 50 Kn, weiter geht er nicht. Hinter der Mauer gab es vor der See prima Schutz, durch ihre große Höhe deckte sie uns auch etwas gegen den Wind ab. Gegen über befand sich der Yachthafen von Mazagon, aber im Augenblick war es unmöglich dort einzulaufen. Wir waren nicht die Einzigen welche hinter der Mauer Schutz gesucht hatten. Ein Arbeitsboot einer Holländischen Baggerfirma drehte hier auch seine Runden und wartete auf Wetterbesserung. Nach einer guten halben Stunde war die Böe durch und es wurde moderater, aber sieben bis acht wehte es immer noch. Nun, das kannten wir ja inzwischen und so liefen wir langsam auf die Marina zu. In der Einfahrt befand sich der Anmeldepunkt, alles klappte prima. Der übliche Kram war schnell abgewickelt und wir kamen einen Platz angewiesen. Das Ablegen war mit Hilfe der Spring auch kein Problem. Langsam liefen wir durch den Hafen und fanden unseren Platz. Er lag so dass wir mit dem Wind einfahren mussten. Wir sprachen das Folgende gut ab, Anne sollte mit der belegten Vorleine auf den Steg, nach Achtern laufen und diese, als Spring, dort belegen, damit das Boot nicht weiter nach vorne kann. Soweit war alles klar. Ganz langsam rein, Anne springt, rutscht aus, fällt halb ins Wasser! Ein hilfsbereiter deutscher Rentner hilft ihr auf, nimmt die Leine und belegt sie vorne. Das war’s, eine Stunde haben wir gebraucht um das Boot aus der misslichen Lage zu befreien und ordentlich hin zu legen. Der Wind wehte ja immer noch sehr stark und drückte unsere „Bazillus“ hinten nach backbord rum, ich musste nun rückwärts geben damit sie nicht vorn gegen den Steg knallt. Durch den Schraubeneffekt (zieht bei rückwärts stark nach BB) verstärkte sich das Ganze noch und schon lagen wir quer in der Box. Wenig später zeigte sich das bei dem Starkwind nicht nur uns so etwas passieren kann. Ein Boot der Guardia Civil wolle ablegen und kam trotz seiner starken Maschine nicht von der Kante weg. Als sie es dann mit brachialer Gewalt versuchten rammten sie um ein Haar eine hinter ihnen liegende Yacht. Mazagon ist ein ziemlich lausiges Dorf. Am nächsten Tag fuhren wir darum mit dem Bus nach Huelva. Die Stadt ist auch nicht unbedingt interessant, aber noch immer besser als in dem Dorf zu sitzen. Hier haben wir dann auch die einzigste Stierkampfarena auf der Reise gesehen, leider war zu der Zeit nichts los.

Am 09.04. hatte sich das Wetter endlich soweit beruhigt das wir am Morgen, wieder mal um 9-45, diesen Hafen verlassen konnten. Bei SE 5 ging es unter Stagsegel, Baumfock und halber Genua ganz passabel los. Es war leider nur sehr nass von oben, eine Gewitterfront nach der anderen zog durch. Der Wind blieb uns aber treu und wir zogen mit 7 Knoten dahin. Hoffentlich hält es recht lange so an. An Steuerbord ist eine hohe Küste in Sicht. Eigentlich sollte man mal eine Position nehmen, aber ich habe keine Lust. Lass laufen! Anscheinend haben wir nun die elende Wetterküche hinter uns, denn achtern sehen wir noch die Schauer durch ziehen. Aber doch wohl zu früh gefreut, um 16 Uhr erwischt uns doch wieder ein gewaltiger Regenschauer und danach ist es mit dem Wind auch vorbei. Also Motor an.

Seit 18-45 Uhr segeln wir wieder. Cap Sagres liegt vor uns. Um 21–30 geht der Motor wieder an, es ist zum Kotzen. Nach dem wir die ganze Nacht mit Maschine gelaufen sind runden wir morgens um sechs Uhr endlich das Cap Sao Vincente. Seit sieben Uhr wird wieder gesegelt, hoffendlich etwas länger. Um 14-30 bei N1 ist es schon wieder vorbei. Unser nächstes Ziel ist Cap Espichel, das letzte Hindernis vor Lissabon. Wenn denn alles klappt! Um 19-15 Uhr stehen wir auf Position 37° 57,48 N/ 009° 06,57 W und der Wind bläst uns mit NNW 5, zunehmend, ins Gesicht. Um 23-30 geben wir bei 7 bis acht Windstärken auf und verziehen uns hinter das Kap um abzuwarten wie es sich entwickelt. In der Nacht treiben wir vor Sesimbra, es steht nur das gereffte Stagsegel, plötzlich ein reißendes Geräusch und das mürbe Segel hat sich verabschiedet. Einfach so, ohne Vorwarnung, da kann wohl nicht mehr viel mit los gewesen sein. Ich hatte es extra vor ein Paar Stunden gesetzt weil es drei Reffreihen hatte. Es blieb Gott sei Dank der einzige ernste Segelschaden auf der ganzen Fahrt. Am Morgen um sieben Uhr unternahmen wir dann noch einen Versuch über das Kap hinaus zukommen. Es ging aber voll in die Hose. Hier hinter der hohen Küste hatten wir den totalen Schutz und als wir die Nase um die Ecke reckten da gab es was drauf. Also liefen wir nach Sesimbra ein, am 11.04. um 9-30 waren wir fest. Die Leute hier waren sehr nett und mit 13 € war es auch nicht teuer. Wenn wir nun nicht mit dem Boot nach Lissabon kommen, dann fahren wir eben von hier mit dem Bus! Zwei Euro pro Person für 40 Kilometer ist ja auch kein Geld, von solchen Nahverkehrspreisen kann man zu Hause nur träumen. Nach einer guten Stunde rollte der Bus mit lautem Gebrumm, das kommt von den Gittern als Straßenbelag,  über die große bekannte Brücke, Ponte 25 de Abril, nach Lissabon hinein. Direkt neben der Brücke liegt eine Marina, aber wegen des Straßenlärmes wird man hier wohl kein Auge zu kriegen. An der Endhaltestelle des Busses angekommen stiegen wir um in die Metro. Die Lissabonner U-Bahn ist erst wenige Jahre alt und die Stationen sind schick und modern. Zunächst hatten wir einige Probleme der portugiesischen Sprache und Schrift, aber die Piktogramme waren sehr eindeutig, so daß wir schnell herausbekamen wie weit wir bis in die City zu fahren hatten. Dort gingen wir durch die steilen Gassen und Treppen der Altstadt hinauf auf die berühmte Festungsanlage. Von hier hat man einen erstklassigen Blick auf die „Stadt der sieben Hügel“. Über den Tejo und den Hafen schweift der Blick, in der Ferne nach Osten ist  die neue Brücke „Vasco da Gama“ zuerkennen und in Gegenrichtung die ältere Brücke über die wir gekommen sind. Auf der anderen Seite des Flusses sieht man auf dem Berg die bekannte Christusfigur. Unter uns das Gassengewirr der Altstadt die  Anfang der 90er Jahre bei einem verheerenden Brand fast völlig zerstört wurde. Davon ist für Fremde aber nichts mehr zu erkennen. Nun läuft man sich in dieser großen Metropole die Füße wund ohne wirklich etwas Wichtiges gesehen zu haben, also setzten wir uns in einen roten Doppeldeckerbus und machten eine Stadtrundfahrt mit. Über Kopfhörer gab es einen Deutschen Kommentar und auf diese Art haben wir viel von der weitläufigen Stadt gesehen.

Nach dieser Gewalttour hatten wir beide, insbesondere aber ich, genug von der Pflasterlatscherei, also zurück zum Bus und zurück zum Boot. Wieder in Sesimbra angekommen belohnten wir uns mit einem kühlen Bier und einem guten Essen. Am nächsten Tag machten wir noch eine Wanderung in der Nähe der Ortschaft und dann wurde es Zeit das es wieder weiterging.

Am Sonntag, den 14.04. sollte es soweit sein. Nach dem wir uns von zu Hause per SMS den Wetterbericht hatten schicken lassen, es sah für uns nicht gut aus, aber es hilft nichts, wir müssen weiter. Nach einem schlimmen Segeltag mit unendlicher Kreuzerei liegen wir genau 12 Stunden später und ganzen 26 Meilen weiter in Cascais und wie sollte es anders sein es weht wieder, N8! Zunächst gab es das übliche Einklarierungsspiel. Schiffspapiere, Versicherung und natürlich Liegegeld. Dann tauchte noch eine Dame in Uniform auf und fragte ob wir schon in anderen Portugiesischen Häfen gewesen währen und ob wir schon die Leuchtfeuergebühr entrichtet hätten. Ich war völlig platt! Also dufte ich das auch noch bezahlen, die geringste Summe galt für einen Monat, solange wollten wir natürlich nicht bleiben, aber das war ihr egal. Für die Nacht verholten wir auf einen Liegeplatz in der Nähe der Anmeldepier und begaben uns in die Koje. Am Morgen kam wieder jemand und forderte uns auf, einen anderen Platz auf zu suchen, weit hinten in dem verzweigten Hafen. Also losbinden und das Boot umlegen. Wieder ging es in eine enge Box und auch wieder vor dem Wind. Dies Mal durfte aber nicht wieder so ein Malheur wie in Spanien passieren. Am Nachbarplatz war ein Yachtie am werkeln, er legte sein Werkzeug weg und nahm unsere Leine an. „Please Sir as a springline!“ rief ich ihm zu und es klappte wunderbar. Er war ein englischer „Chinese“, der für jemand das Boot auf Vordermann brachte. Später lief noch eine Yacht ein, die uns bekannt vorkam. Die hatten wir schon in Lissabon während  unserer Stadtrundfahrt beobachtet. Eine Charteryacht auf Überführung von den Kanaren. Ausserdem stellte sich heraus, dass sie das gleiche Ziel hatten wie wir, sie wollten nach Kiel.

Den Nachmittag verbrachten wir in der Stadt, ein Touristenort, vor allem für Lissabonner. Abends waren wir in einem Irish Pub, dort saß auch unser Chinese, den holten wir an unseren Tisch und haben uns ganz gut mit ihm unterhalten. Wenn man gezwungen ist englisch zu sprechen, dann wird es mit der Zeit immer besser. Später gab es noch eine lustige Einlage. Ein Schuhputzer kam in den Pub und bot seine Dienste an. Annes Schuhe hatten es mal nötig und so winkte ich ihn heran. Er fragte woher wir seien und siehe da, er sprach deutsch. Anne war es zu nächst peinlich, aber warum? Der Mann verdiente damit sein Geld und er machte seine Arbeit gut, mit allerhand Witzen und Faxen. Und billig war er mit 10 € auch nicht gerade.

 

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