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Masuren. Und einmal quer durch Polen. Fortsetzung

Botanik. Der Kanal Bydgoski ist auch so ein Fall für sich. Nicht, dass die 22 Schleusen eine besondere Herausforderung darstellen würden oder das es besonders schwierig wäre, jeweils die 6,46  Zloty Gebühr pro Schleuse aufzutreiben. Die besondere Schwierigkeit besteht darin, dass der Kanal abschnittsweise total verkrautet ist. Eine Schleuse ist komplett grün, Wasser ist nicht zu sehen. Fast einen ganzen Tag lang habe ich die begründete Sorge, das Grünzeug würde meinen Impeller zerstören und ich bleibe irgendwo mitten in der Pampa liegen. Aufzustoppen und den Motor hochzuklappen und von dem Kraut zu befreien, lassen mich regelmäßig in das Grünzeug treiben und es ist nervig und als Einhandsegler schwierig, mit Paddel oder Wurf-Warp-Anker da wieder rauszukommen. Erst nach einer guten Zeit entwickele ich eine Technik, ohne Ausflüge ins Schilf den Motorschaft zu entkrauten.

Beginn Kanal Bydgoski - Foto: Stefan Schneider
Schleusenbotanik - Foto: Stefan Schneider

Europawasserweg? Über Marinas auf dieser Strecke zu reden ist überflüssig, denn es gibt sie beinahe nicht. In der Nähe einer Ortschaft gibt es bestenfalls ein Informationsschild, einen Pfahl am Ufer oder einen windschiefen Steg. Auch die wenigen Häfen oder Kaianlagen sind meistens verfallen und laden nicht gerade zum Festmachen ein. Eine löbliche Ausnahme ist Czarnkow. Dort wurde eine kleine, feine und moderne Marina gebaut, die – wahrscheinlich aufgrund der Förderbedingungen – noch einige Jahre vollkommen kostenlos ist. Hier erfahre ich auch, dass die Grolls mit ihrem 16er Jollenkreuzer "Daddeldu" vor gut 10 Tagen hier waren. Die Beiden hatte ich vor 5 Wochen in Gizycko getroffen und ich wusste, auch sie wollten diese Strecke nehmen. Ich war bei weitem nicht der einzige Deutsche in Masuren, und auch auf diesem Wasserweg waren noch andere unterwegs. Auch gutes und präzises Kartenmaterial für den gesamten Streckenabschnitt ist hier erhältlich. Schließlich bin ich nicht irgendwo, seit Bydgoscsz bin ich auf der internationalen Wasserstraße E 70 unterwegs, die Antwerpen mit dem Frischen Haff und letztlich mit Königsberg verbindet. Sie ist aufbaufähig.

Segeln auf der Oder

Fallbeil. Ich erreiche die Oder und segele wieder – von Kostrzyn bis kurz vor Hohensaaten. Einen Tag vor der angekündigten, einen Monat dauernden Schließung will ich als zweites Boot in die Schleuse Hohensaaten einfahren, als sich zu meiner Überraschung das von oben kommende Schleusentor wie ein Fallbeil herunter senkt. Ich stürze zu meinem Aussenborder und gebe vollen Schub rückwärts. Eine halbe Bootslänge vor dem Schleusentor komme ich zum stehen. Ich protestiere lautstark mit meinem Nebelhorn und balle drohend meine Faust in Richtung Kamera. Auf dem Wasser lauern Gefahren immer dort, wo mensch sie am wenigsten vermutet. In Berlin ist die Schleuse Mühlendamm wegen Hochwasser für die Sportschiffahrt gesperrt und ich muss den weiten Umweg über den Teltowkanal nehmen, um nach Hause zu kommen.

Bilanz. Als ich nach fast sieben Wochen wieder an meinem Heimatsteg bei der WLS in Schmöckwitz festmache und zwei Tage darauf die Kilometer dieser Reise anhand Logbuch und Karten auszirkele und aufaddiere, staune ich nicht schlecht: 1570 km sind zusammen gekommen, die ich im Kielwasser habe. Allein auf den Masurischen Seen habe ich an 18 Reisentagen 435 km unter Segeln zurück gelegt, dazu kommen weitere 87 km unter Motor. Ein Segelanteil von 83% ist schon nicht schlecht, da auch einige Kanäle zu passieren waren. Die Rückreise, von Pisz, dem südlichsten Punkt der Masurischen Seen an gerechnet, nimmt bei einer Strecke von 1048 km und 27 Schleusen 19 Reisetage in Anspruch. Immerhin bin ich auch auf dieser Strecke 321 km unter Segeln unterwegs, davon 252 km auf der Weichsel. Insgesamt bin ich also 756 km der 1570 km gesegelt, was einem Segelanteil von 48,2% entspricht. Es war ein regnerischer Sommer. Irgendwann hat mich das nicht mehr gestört. Ich meine sogar, dass die hohen Wasserstände auf den Flüssen meine Reise sogar begünstigt haben.

 

Stefan Schneider

 

PS: Inzwischen gibt es ein neueres Buch über die Masurischen Seen. Von einer schiffbaren Verbindung der Masurischen Seen nach Deutschland ist dort nicht mehr die Rede.

 

Ausführlicher Törnbericht siehe: http://www.drstefanschneider.de/taktojest

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(Kontakt: doc(at)drstefanschneider.de oder 0177 – 784 73 37)

 

 

 

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