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Kiel – Oslo – Göteborg, (fast) einhand gesegelt - Fortsetzung

Segelbericht Seite 2

Im Skagerra

Nachts frischte der Wind endlich auf und schnell entstand eine steile Welle, weil ein Strom mit ca. 0,5 kn gegen den Wind setzte. Wir liefen am Wind und machten gute Fahrt. Obwohl mein Gast in der Vorpiekkoje sich mehr in der Luft als auf der Matratze befinden musste, hielt er tapfer aus und das Essen in seinem Magen. Dennoch konnte er einer herrlichen Kreuz in den erwachenden Morgen nicht dieselbe Begeisterung wie ich abgewinnen. Der Oslofjord ist 60 sm lang, sein Ausgang ist breit und bietet selbst bei ablandigem Wind wenig Schutz. Vom ersten Land in Sicht bis zum gepflegten Fjordsegeln vergehen viele Stunden. Mir macht Segeln einfach Spaß, mich faszinieren die Wellen und die Wolken und die Führung des Schiffs. Wenn das aber nicht so ist, erfordert eine solche Situation doch sehr viel Geduld, die mein Gast zum Glück mit mir hatte. Nach 25 Stunden und 127 sm liefen wir in Horten/Oslofjord ein, aber bei inzwischen trübem Wetter war dies – zweifellos ein nettes norwegisches Städtchen – nicht der Ort gewesen, wo ihm ein spontanes Das hat sich aber gelohnt über die Lippen kommen konnte.

Oslofjord

Leider brachte der folgende Tag nur Wolken und Flaute, so dass wir nach Drøbak motoren mussten. Auf dem Weg dorthin lasen wir eine beeindruckende Beschreibung der Versenkung des deutschen Schlachtschiffs Blücher. Mein Vater hatte im zweiten Weltkrieg als junger Leutnant an der Besetzung Norwegens teilgenommen und mir in meiner Kindheit viel davon erzählt. Nun empfand ich es als seltsam, dass trotz der mehr als 1000 mit der Blücher untergegangenen deutschen Soldaten meine Sympathien eigentlich mehr auf Seiten der Norweger waren, die – mit ausgemusterten Kanonen aus dem ersten Weltkrieg – wenigstens etwas Gegenwehr geleistet hatten. Drøbak brachte uns auch den ersten Wechselkursschock: Für fünf Brötchen bezahlten wir umgerechnet DM 12! Nun, die Brötchen waren so groß, dass wir auch noch mittags davon aßen und der Euro war seit seiner Einführung um 25% gefallen – das alles waren richtige, aber letzten Endes unzutreffende Erklärungen, denn auf meinem Rückweg lief ich wieder nach Drøbak und ging wieder in dieselbe Bäckerei (die Brötchen waren eigentlich ganz gut gewesen) und siehe da: die Verkäuferin hatte sich beim ersten Mal verrechnet. Trotzdem ist Norwegen derzeit ein teures Urlaubsland.

Oslo

Drøbak – Oslo: 20 sm, Strom und ganz leichter Wind von vorn, Badehosenwetter, aber wieder nur motoren. Aker Brygge, unser Yachthafen in Oslo, ist eigentlich besser als Bootsparkplatz zu bezeichnen. Ein Parkscheinautomat ist vorhanden und die Fluktuation eines innerstädtischen Parkplatzes ebenfalls. Einige norwegische Familien fahren offensichtlich zum Einkaufen mit ihrem Boot in die Stadt. Vollgepackt mit Einkaufstüten und Getränkekästen verlassen sie wieder den Hafen. Manche machen erst noch ein Picknick an Bord, bevor sie auslaufen, und genießen den städtischen Trubel um sich herum, der so ganz im Gegensatz zur Beschaulichkeit der meisten anderen Häfen steht. Gegen Mitternacht lief das vielleicht zehnte Boot (seit unserer Ankunft gegen 15.00 Uhr) in unsere Nachbarbox. An Bord waren etwa 20 Männer und Frauen im Alter von Studenten. Sie zog es offensichtlich ins Osloer Nachtleben. Zurück kamen sie gegen vier Uhr morgens und dann feierten sie an Deck weiter, gerade so als wäre es 21.00 Uhr. Laute Musik, ein Bad im Hafenbecken,  gemeinschaftliches Singen – man muss neidlos anerkennen, es war eine tolle Party. Sicherlich werden viele Segler so etwas als Ruhestörung empfinden, ich bin da anders. Mich stört das nicht, ich bin gerne unter jungen Menschen und kann auch bei lauter Musik schlafen. Und im Vergleich zu den Parties in den Häfen an der westschwedischen Schärenküste war es in Oslo eher gemäßigt. Aker Brygge liegt optimal, um die Stadt zu besichtigen. Man muss nur den Fuß von Bord setzen und befindet sich sozusagen direkt im Menschengetümmel. Norwegen kann man sicherlich nicht als Land bezeichnen, in dem begründete Sicherheitsbedenken entstehen können. Dennoch fragt man sich natürlich angesichts der zahlreichen Menschen, die das Verschließen des Schiffes und das Von-Bord-Gehen beobachten, ob nicht einer darunter kriminelle Absichten hat. Nun, dem war nicht so, aber als ich nach der Abreise meines Freundes meine Leinen loswarf, fehlte eine. Die Gedanke daran macht mich noch heute fassungslos. Die Boxen waren durch schwimmende Leichtmetallträger, an denen die Heckleinen festgemacht wurden, voneinander getrennt. Ich erinnere mich genau, dass ich meine Leine zunächst an einer Mittschiffsklampe belegt hatte. Weil noch ein Stück von mehreren Metern Länge übrig war und ich vermeiden wollte, dass es ins Wasser fiel, führte ich den Festmacher von der Mittschiffsklampe über Deck an die Achterdeckklampe, belegte die Leine dort ein zweites Mal, schoss den Rest auf und hängte ihn über den Heckkorb. Diese so befestigte Leine ist gestohlen worden! Ich sage nur Bootsparkplatz.

 

Fortsetzung: Kiel-Oslo-Göteborg (Rolf Dreyer) S.3

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