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„Für mich fühlt sich so Freiheit an“

18° 04’ Nord  |  063° 05’ West

Tagebuch-Notizen: Mit der ‚Eye of the Wind‘ in der Karibik

 

 

Marigot, Saint-Martin

Ich sitze hier auf dem Vordeck, es weht eine angenehme leichte Brise, das Schiff wiegt sich sachte im Wind, über mir sind der Vollmond und der Sternenhimmel. Wie schön, dass ich hier sein kann! Die 'Eye of the Wind' liegt heute in Marigot vor Anker - im französischen Teil der Insel, die hier Saint-Martin heißt. Die Marina Fort Louis ist dominiert von riesigen Yachten. Meine Ankunft auf dem Schiff hat alle meine - hohen - Erwartungen erfüllt. Ich kannte zwei Mitglieder der Crew vom letzten Jahr, und die anderen vier sind auch sehr sympathisch. Gäste gibt es außer mir noch drei - ein älteres Ehepaar aus Stuttgart und einen jungen Mann, der aus der Nähe von Greifswald kommt. Das bedeutet, ich habe wieder wie im letzten Jahr eine großzügige Kabine für mich allein, in der ich mich schon richtig eingerichtet habe.

 

50 Meilen bis St. Kitts – Palmen, Strand und eine Reggae Bar

An unserem ersten Tag geht es gleich richtig zu Sache: 50 Meilen sind zu bewältigen bis nach St. Kitts, das bedeutet für die ‚Eye‘ ca. neun Stunden Fahrt. Basseterre ist der Hauptort von St. Kitts. Diese Insel ist seit 25 Jahren unabhängig. Hier legen regelmäßig die großen Kreuzfahrtschiffe an. Deswegen gibt es direkt hinter dem Anleger der Ozeanriesen ein kleines Viertel für diese Gäste: Zuerst eine Bar, Souvenirläden, Läden mit Strandkleidung und Sonnenschutz, zollfreiem Alkohol, Zigarren, Schmuck und ein Taxistand. In der Nähe liegen wir jetzt in einer ruhigen Bucht vor Anker. Mit dem Dinghi (Beiboot) fahren wir zum Strand und erleben ein Stück Karibik, wie man es aus den Prospekten kennt: glasklares Wasser, Strand, Palmen und eine Reggae Bar mit Cocktails. Vorher hatte ich noch ein persönliches Highlight: Ich bin auf die erste Plattform am Mast geklettert und habe die Aussicht genossen: Himmel über mir, das Schiff mehr als zehn Meter unter mir, türkisfarbenes Wasser und eine gehörige Portion Adrenalin vom Hochklettern. Ein kaum zu überbietendes Gefühl! Nach dem Besuch der Bar finde ich auf dem Vordeck eine aufgehängte Hängematte vor. Als sowieso schon großer Fan von Hängematten war mein Erlebnis auf dem Schiff noch eine Klasse besser: Man braucht hier niemanden, der die Hängematte in Bewegung hält – das übernehmen Wind und Wellen. Der Blick nach oben gleitet über die Segel und die Takelage und auf Vögel, die elegant ihre Kreise am Himmel ziehen.

 

Seefrauen-Ehre und ein Muskelkater

Heute haben wir wieder einen Tag mit einem großen Schlag zu bewältigen, ca. 40 Meilen in acht Stunden. Fast alle Segel sind gesetzt – insgesamt gibt es 750 Quadratmeter an Segelfläche. Ihr könnt euch vorstellen, dass es da ganz schön viele Taue zu lösen und zu ziehen gibt. Meine Hilfe war gefragt – ich habe mich also nützlich gemacht und festgestellt, dass ich sicher eine Hilfe war, selbst wenn ich nicht so viel „manpower“ zu bieten habe. Völlig unerwartet rollen große Wellen über das Schiff, und Hose und Schuhe sind nass. Wenn gerade Segel gesetzt werden, kann man sich ja nicht so einfach in Sicherheit bringen. – Könnte man natürlich schon, aber das ginge völlig gegen meine Seefrauen-Ehre. Also habe ich tapfer an dem mir zugewiesenen Tau durchgehalten, egal was kam. Meine Hose hat sich zum Schluss genauso angefühlt wie die Taue – rau und salzig.

 

Dass ich heute „was getan“ habe, merke ich auf alle Fälle daran, dass ich Muskelkater in den Armen und in den Bauchmuskeln habe vom Ziehen und in den Beinen vom Klettern auf die Plattform von gestern. Gesteuert habe ich auch eine kurze Zeit – es klappt jetzt viel besser, den Kurs zu halten und ich habe mir sogar ein Lob von Steuerfrau Nora eingehandelt. Nun liegen wir in der Hafenbucht von Gustavia auf der Insel St. Barthélemy. Das ist das Kontrastprogramm zu Basseterre auf St. Kitts. Riesige Yachten, schicke Geschäfte und Bars, Palmen, Blumen und alle erdenklichen Luxusartikel.

 

 

 

 

Fortsetzung der Segelreise