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Masuren. Und einmal quer durch Polen. Fortsetzung

Sicherheit. Überhaupt der Sniardwy, der zu deutschen Zeiten Spirdingsee hieß und größter Binnensee Deutschlands war. Er galt lange als schwierig zu segeln. Weil er in großen Teilen recht flach ist, entsteht schnell eine hohe Welle. Das größere Problem waren die zahlreichen ausgedehnten Steinfelder mit gefährlichen Brocken dicht unter der Wasseroberfläche. Heute ist das deutlich einfacher: Die gefährlichen Steinfelder sind allesamt gut erkennbar ausgetonnt (das Steinfeld in der Seemitte konnte ich nicht finden. Ich nehme an, es ist beseitigt worden), das Hauptwasser nach Pisz ist sauber gekennzeichnet und ebenso ein Nebenfahrwasser in den Nordosten nach Orkatowo, Und, was die Hauptsache ist, bei gefährlicher Wetterlage leuchten absolut unübersehbar an 6 markanten Orten am Ufer gleichzeitig gelbe Blinksignale und es gibt auch halbwegs zuverlässige Wetterprognosen bei windfinder.com.

Die Pisa - Foto: Stefan Schneider

Nadelör. Die Pisa ist als Fluß vergleichbar mit der mittleren Spree zwischen Trebatsch und Leibsch, nur noch gewundener und noch schneller fließend. Sie war in den letzten Jahren gesperrt, war an verschiedenen Stellen zu lesen und vor Ort erfahre ich den Grund: Umgestürzte Bäume. Ein Video bei Youtube aus dem Jahr 2009 eines jungen Paares, die mit ihrem Omega-Jollenkreuzer von den Masuren bis Amsterdam unterwegs waren, ermutigt mich, trotzdem diesen Weg zu nehmen. Die schnelle Strömung in Verbindung mit den vielen Windungen macht die Pisa zu einem schwierigen Gewässer: Hindernisse tauchen unvermittelt auf und lassen einem keine Reaktionszeit. Zwei Bäume liegen tatsächlich quer. In einem Fall bleibt eine schmale Lücke, und im zweiten Fall muss ich alles hochnehmen um gerade noch rüber zu rutschen. Aber die Landschaft ist grandios und sich sehe an einem Tag bestimmt mehr als 100 Störche. Die Narew dagegen ist dagegen wie ein behäbiger Bär. Mit mehr Wind oder mehr Zeit würde ich Segeln, lautet meine Ausrede für das Motoren hier. Der Weg zur Weichsel führt über das Zalew Zegrzynski, dem aufgestauten Haussee Warschaus, ein wunderbares Wassersportrevier. Das Gerücht, die Schleuse in Warschau – Zeran sei wegen einer Havarie auf unbestimmte Zeit gesperrt, macht mich einigermaßen nervös. Sollte mein Trip hier zu Ende sein? Eine Anfrage per email bringt nach 2 Tagen Gewissheit: Die Schleuse ist in Betrieb und ich kann sie passieren.

Strömung. Der Stadthafen von Warschau ist nur 9 km weichselaufwärts und ich will diesen Abstecher machen. Der ohnehin schon verengte und starkes Hochwasser führende Strom wird zusätzlich noch eingeengt durch zwei mächtige Steinpfeiler der alten Brücke, die Warschau mit Praga verbindet. Mein Aussenborder schafft 10km pro Stunde, aber Ich werde immer langsamer und komme genau zwischen den Pfeilern bei voller Motorkraft voraus zum Stehen. So stark ist die Strömung. Ist hier Schluss? Nach gefühlten Ewigkeiten geht ein leichtes Zittern durch das Boot und ich bewege mich Zentimeterweise vorwärts. Dreieinhalb Stunden brauche ich für die 9 km.

Strömung auf der Weichsel bei warschau - Foto: Stefan Schneider
Kurs querab zur Strömung auf der Weichsel
Segeln auf der Weichsel
Segeln auf der Weichsel

Weichselsegeln. Drei Tage später setze ich nach der letzten Brücke in Warschau Groß und Fock und spüre förmlich, dass mein Schiff dies mehr liebt als die Fahrt unter Motor. Mit Wind von vorn müssen wir die Weichsel herunterkreuzen und das Hochwasser kommt mir dabei sehr entgegen. Es mag bisweilen einen seltsamen Anblick geben, wenn ich quer oder beinahe gegen die Strömung zur Luvseite kreuze, aber mit dem gewonnenen Raum kann ich lange Strecken am Wind und mit der Strömung flußabwärts segeln. Ich schaffe so zwischen 40 und 72 km am Tag. Insbesondere die letzten Kilometer vor W?oc?awek sind aufgrund der Staumauer seenartig verbreitert und die dortige Schleuse dürfte die erste sein, die mein Boot mit stehendem Mast passiert. Die Städte auf dem Weg, die ich besuche, sind allemal eine Erkundung wert und besonders beeindruckend sind die Städte Ostroleka, Pu?tusk, Warschau, Plock, Torun und Bydgoszcz.