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Kykladentörn, Fortsetzung

Der Weg nach Mylos
Der Weg nach Mylos

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Der nächste Tag gehörte Mykonos. Wirklich sehr nett. Am Abend sagte der Deutsche Wetterdienst für die Nacht und den nächsten Tag wieder Nord 5 bis 6 voraus. Also optimale Bedingungen, um mit schönem Halbwindkurs Richtung Westen nach Kithnos zu laufen. Wir entschlossen uns schnell, um Mitternacht auszulaufen, um gegen Mittag auf der etwa 55 sm entfernten Insel Kithnos anzukommen.

Das Ablegen um Mitternacht klappte mit Eindampfen in die Achterspring vom Feinsten und wir verließen Mykonos. Nachdem wir die Insel gut hinter uns hatten, legte ich mich wieder hin, da ich noch nicht mit der Wache dran war. Etwa zehn Minuten später hörte ich, dass die Maschine gedrosselt und die Segel gesetzt wurden. Kurze Zeit später war der Motor aus. So soll es sein. Stutzig wurde ich jedoch, als ich wenige Sekunden später den Anlasser hörte. Der Motor orgelte ohne anzuspringen. Widerwillig aber gelassen schwang ich mich aus meiner Koje und fragte vom Salon aus nach oben, was los sei. Man sagte mir, dass der Motor plötzlich von selbst ausgegangen sei und nun nicht mehr anspringe. Als Meister des Kfz-Handwerks blieb ich ruhig und machte mich an die Fehlersuche. Ich entfernte eine Seitenwand und den Niedergang und inspizierte mit der Taschenlampe den Motor. Ich prüfte zuerst den elektromagnetischen Absteller der Dieseleinspritzpumpe. Bei PKW-Dieselmotoren wird er beim Ausschalten der Zündung stromlos geschaltet, worauf er die Kraftstoffzufuhr sperrt und der Motor ausgeht. Ich zog den Stecker ab und hörte deutlich ein Klicken.

Mehrmals tippte ich mit dem Stecker auf die Anschlussfahne und jedes Mal ein deutliches Klicken. Ich entschied, das Teil funktioniert. Ich kroch weiter in den Motorraum, als ich mit einem Ohr aus dem Funkgerät die Worte "Gale warning" hörte. Blitzartig stürmte ich an das Funkgerät und hörte eine Sturmwarnung von Olympic Radio, die noch einmal deutlich wiederholt wurde. Inzwischen überhaupt nicht mehr gelassen rief ich den Skipper zu mir herunter. Er musste umständlich herunterklettern, da der Niedergang noch im Salon auf dem Boden lag. Ich schlug vor auf der Stelle umzudrehen und nach Mykonos zurück zu laufen. Wir waren inzwischen etwa fünf sm von Mykonos entfernt. Der Skipper ließ wenden und wir fuhren zurück. Seit dem Eingang der Sturmwarnung waren etwa 15 Minuten vergangen und tatsächlich nahm der Wind deutlich zu. Noch war es nur sportliches Segeln, aber der Wind nahm langsam immer weiter zu. Wir refften die Segel und überlegten, wie wir wieder in den Hafen gelangen. Sämtliche Gedanken zu diesem Thema verwarfen wir wieder. Eine Idee war mit einem Aufschießer gegen den Wind an der Außenseite des Kais festzumachen. Aber dort legten ständig große Fähren an und ab. Eine andere war mit dem Beiboot rein zu fahren und das Anlegen längsseits im Päckchen vorzubereiten oder andere Hilfe zu holen. Aber Wind und Seegang waren für das kleine Schlauchboot zu groß und die Aktion damit zu gefährlich. Ich selbst hätte wahrscheinlich die falsche Entscheidung getroffen und versucht, ohne fremde Hilfe zurecht zu kommen. Der Skipper entschied sich zu funken. Sehr nervös, wie er mir später verriet, aber nach außen hin souverän nahm er die Sprechmuschel und rief Olympic Radio auf Kanal 16. Nach dem dritten Anruf kam die erleichternde Antwort: "This is Olympic Radio, what can I do for you?" Der Skipper schilderte in gutem, fließendem Englisch die Situation und bat um Schlepphilfe. Man sagte uns, wir müssten in diesem Fall die port authority von Mykonos anrufen und nannte uns deren Arbeitskanal. Also das Ganze noch einmal. Wieder schilderte er die Situation, gab die Position an, bat um Schlepphilfe und machte deutlich, dass es sich nicht um einen Notfall handelt. Man wies uns an zu warten und hörbereit zu bleiben. Inzwischen wurde das Groß ganz reingeholt und die Genua deutlich verkleinert. Mit kleiner Fahrt fuhren wir vor der Insel auf und ab. Immer wenn wir uns von der Insel entfernten kam großes Unwohlsein in mir auf. Immer wenn wir gewendet hatten und wieder auf die Insel zuliefen, fühlte ich mich besser. Ich wäre gerne näher zur Hafeneinfahrt gesegelt, der Skipper entschied jedoch vollkommen zu recht, deutlich frei von allem zu bleiben was auf den Namen Land und Fels hört.

Die port authority meldete sich wieder und sagte, dass sie kein eigenes Boot zur Verfügung hat und uns ein Fischerboot schickt. Es verging etwa eine halbe Stunde, als der Skipper noch einmal nachfragte. Er bekam etwas barsch zu Antwort, dass er sich ruhig verhalten solle, bis er wieder gerufen werde. Etwa eine weitere viertel Stunde später erkannte ich ein gelbes Funkellicht von Norden rasch näherkommen. Das musste der Fischer sein. Er kam aus einem anderen Hafen, der weiter nördlich lag, zu uns. Ich ging nach vorne und bereitete eine etwa 20 m lange Leine als Schleppleine vor. Ich knüpfte einen Palstek mit einem sehr großen Auge und belegte das Auge gleichmäßig auf die beiden Klampen, sodass sich der Zug gleichmäßig verteilen konnte. Inzwischen war der Fischer bei uns. Er fuhr hinter unserem Heck her und stand dann in Lee in gleicher Richtung schräg vor uns. Die in großen Törns bereitliegende Leine verwandelte sich aber in ein Wuhling und war unklar. Ich sah, dass auf dem Fischer eine Leine klar zum Werfen war. Unsere Klampen waren aber besetzt. Schnell schnitt ich mit meinem Messer einfach die Leine ab, machte die Klampen frei und warf das abgeschnittene Ende über Bord. Das Überwerfen der Leine klappte beim ersten Mal. Schnell konnte ich sie unter dem Bugkorb herziehen und belegen. Leider nicht mehr so elegant auf zwei Klampen. Aber es ging auch so.

Sanft nahm der Fischer Fahrt auf und beschleunigte langsam auf etwa sechs Knoten. Erleichterung machte sich breit, ja sogar zu Witzen waren wir aufgelegt. Keine zehn Minuten später näherten wir uns der Marina. Dem Fischer vollkommen ausgeliefert warteten wir nervös dessen nächste Aktion ab. An einer unmöglichen Stelle wollte er uns festmachen lassen. Als der Führer des Fischerbootes erkannte, dass es so nicht geht, forderte er mich auf, die Leine zu lösen. Zwei Mal musste er mit überaus kräftigen Gasstößen seiner starken Maschine verhindern, dass er mit anderen Booten zusammenstieß. In dem Wissen, dass wir nach Lösen der Leinenverbindung bei dem Wind direkt abtreiben werden, kam ich widerwillig der Aufforderung nach. Nun war Eile geboten. Rasch fuhr der Fischer einen Kreis und warf die Leine erneut zu. Diesmal brauchte es einen zweiten Versuch. Nun warf ein anderer. Etwa fünf Personen waren auf dem Fischerboot. Es klappte. Dabei kam der Fischer unserem Bug mit seinem Heck gefährlich nahe, aber mit einem kräftigen Gasstoß war die Situation entschärft. Der Fischer zog uns nun weiter in die Marina und längsseits an eine andere Yacht. Ein Hafenpolizist hatte den Skipper dieser Yacht geweckt und mit ihm das Festmachen vorbereitet. Kurze Zeit später lagen wir sicher und ohne einen Kratzer im Päckchen. Der Hafenpolizist nahm unsere Schiffspapiere an sich und forderte uns auf, am nächsten Tag in sein Büro zu kommen. Er erkundigte sich, ob Kinder auf dem Boot sind, ob es allen gut geht, verabschiedete sich freundlich mit den Worten "you are welcome" und verschwand. Wir bedankten uns bei dem Fischer für seine professionelle Hilfe und dann ging auch er.

Als die Anspannung sich löste, sah man unserem Skipper an, dass er doch recht fertig war. Dies beruhigte mich, da es mir genauso ging. Inzwischen war es 03:00 Uhr morgens. Alle waren wir in den letzten drei Stunden extrem angespannt, doch es machte sich keinerlei Panik oder Hektik breit, jeder hatte  ich nach außen unter Kontrolle, alles verlief ruhig und sachlich und wie von selbst. Bei der Sturmwarnung handelte es sich um ein lokales stürmisches Gewitter, geregnet hat es allerdings nicht. Die weitere Nacht bestätigte uns, dass die Entscheidung zurückzulaufen, richtig war. Eine erfahrene Crew mit einem Boot mit intaktem Motor wäre wohl möglich weiter gefahren, aber für uns war es besser so.

 

 

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Die Seenotretter: DGzRS